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AGITATION FREE - Portrait einer BandAb ins Studio - Malesch·
Das Jahr 1972 Ab 6. Juli 1972 ging es wieder ins Studio. Wir wählten das Audio-Tonstudio in Berlin, da es das erste 16-Spur Studio in Berlin war. Wir gingen ohne großes Konzept an die Arbeit und improvisierten einfach. So entstand jeden Tag ein anderes Stück. An zwei Tagen spielte Peter Michael Hamel mit. Nach dem Abmischen suchten wir uns die passenden O-Töne unserer auf der Nah-Ost Tournee gesammelten akustischen Eindrücke und verbanden damit die einzelnen Stücke. Danach diskutierten wir über die Titel und wählten sie aus. Das erste Stück nannten wir You play for us today. Siehe den vorher erwähnten Piloten der Middle East Airlines. Das nächste Stück nannten wir Sahara City, nach dem Platz, an dem der Nightclub lag, in dem wir am ersten Abend der Tournee so fürstlich gespeist hatten. Noch heute, wenn ich das Stück höre und die Augen schließe, erlebe ich wieder die Fahrt dorthin, tiefe Nacht, wohlige Wärme, Sterne und die Pyramiden. Unvergesslich! Das dritte Stück heißt A La Toul, was soviel wie "geradeaus" bedeutet. Hier spiegelt sich die Hektik der Straßen Kairos wieder, wo es eigentlich unmöglich ist geradeaus zu gehen, ergo ein "ägyptisches" geradeaus. Der vierte Titel heißt Puls. Hier experimentierte Michael Hoenig mit einem Zufallsgenerator und Equipment der Firma "Hofschneider, Berlin". Michael Hoenig bei der Aufnahme von Pulse mit 4 (!)
EMS-Sythi A Chan el Chalili ist das nächste Stück, benannt nach dem berühmten Basar, wo auch wir uns im Feilschen erprobt haben.Malesch, das sechste Stück, gelang uns am besten. Es stellt eine Huldigung an die ägyptische Lebensweise dar.Rücksturz, der letzte Titel auf Malesch, klang schon wieder sehr europäisch und beschreibt unsere Rückreise nach Hause, die wirklich wie ein Absturz in die europäische Kultur war. Ursprünglich sollte die LP im September erscheinen, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft. Doch daraus wurde nichts. Letztlich erschien sie am 1. Dezember. Wann und vor allen Dingen wo sie nun überall erhältlich war, weiß niemand, denn der Vertrieb in Deutschland gestaltete sich miserabel. Inzwischen hatte ein alter Freund, Alfred Bergmann , der außerdem einer meiner alten Schullehrer war, im "Sender Freies Berlin" (SFB) alles für ein Hörspiel über uns vorbereitet. "Bergi" hatte sich gerade vorher ein Haus in Halen, in der Nähe von Osnabrück, gekauft und es wegen der Ruhe und der Möglichkeit Musik aufzunehmen, als Aufnahmeort gewählt. Also packten unsere Roadies Uli Rathsack und Uli Popp unsere Anlage ein und wir fuhren aufs Land. Zehn Tage lebten wir zusammen und machten Musik. Wolfgang Wölfer, der Regisseur, jammte manchmal mit. Im Prinzip waren wir jeden Tag reichlich betrunken. Das hatte zur Folge, daß uns die Wurzeln mancher Reibereien ziemlich klar wurden. Leider schafften wir es nicht, unsere Probleme zu bereinigen. Es gab also Streit. Und noch eines geschah: Jeder von uns hatte seinen Stempel weg und wurde ihn nicht mehr los. Alfred Bergmann der das alles aufgezeichnet hatte, schnitt in Berlin mit Wolfgang Wölfer die Bänder kunstvoll zusammen und würzte das Ganze mit unserer Musik. Am 7.4.73 wurde das Hörspiel im SFB gesendet. Andere Radiosender übernahmen das Programm später. Am 30.8.72 fuhren wir nach München. Die Olympiade war in vollem Gange - Ich hasse Sport (Nur früher nicht, da habe ich meine Zigaretten selbst gedreht!). Man verfrachtete uns dort in ein Schulgebäude, Flachbau, das durch Bundeswehr-Betten zum Schlafsaal umfunktioniert wurde, und in dem außer uns auch noch die Musiker der New Folksingers und Joy Unlimited wohnten. Alle kamen zum Glück ohne Groupies, Familie oder sonstige Sauerstoffverbraucher. Am 1.9.72 hatten wir unser erstes Konzert in der Medienstrasse, die aus Anlaß der Olympiade als kultureller Beitrag gedacht war. Das zweite Konzert folgte am 3.9.72 im Theatron. Die Besetzung war diesmal Burghard Rausch, "Lüül", Michael Hoenig, Peter Michael Hamel, ich, sowie Wolfram Jacob von Os Mundi, genannt "Nase" an den Congas. Eigentlich sollten wir noch zwei weitere Konzerte geben, aber dann machte uns der Mordanschlag der Terroristen einen Strich durch die Rechnung - Malesch! Wir blieben noch für ein paar Tage in München, fuhren dann wieder nach Hause und hatten für ca. drei Monate keine Gigs mehr. Dafür produzierten wir am 26. und 27.9.72 ein weiteres Hörspiel, "Eine Krähe hackt der anderen", wieder mit unserem Freund "Bergi" . Ausserdem gründeten wir in Berlin zusammen mit Michael Duwe, Os Mundi und Ute Kannenberg (ehemals Schlagersängerin Tanja Berg) die Berliner Musikerinitiative kurz BMI. Wir stellten die Sache ganz gut auf die Beine. Auf der Gründungsversammlung im November oder Dezember 1972 sprach uns Dietmar Burmeister an. Er hatte zeitweilig bei Ash Ra Tempel getrommelt und fragte uns, ob wir nicht einen Percussionisten bzw. zweiten Trommler gebrauchen könnten. · Das Jahr 1973 Bis auf Burghard Rausch gefiel uns allen die Idee ganz gut. Am 7. Januar 1973 spielten wir in der Hamburger "Fabrik" noch mit Burghard alleine, auch wurden weitere Aufnahmen für das Hörspiel "Agitation Free, Portrait einer Musikgruppe" vom 8. bis 12. Januar noch ohne Dietmar gemacht. Bei unserem Gig zur Eröffnung der Berliner Discothek Dampfmaschine am 8. und 9. März spielte Burmeister dann aber schon mit. Schon vorher gab es Ärger. Wir hatten entdeckt, das
Joshi angefangen hatte zu fixen. Ich mag gar nicht daran denken, was damals los war. Joshi versprach uns hoch und heilig, vor der geplanten Frankreich-Tournee mit dem "schießen" aufzuhören. Natürlich packte er es nicht, und war am Tag vor unserer Abfahrt immer noch drauf. Mit zitternden Knien brachen wir also nach Paris auf. Hinter Aachen warf Joshi seine Spritze aus dem Auto. Bis Paris ging dann noch alles gut...
Beim Konzert in der Opera Comique mit
Nico lehnte er sich dann an seinen Marshall - Turm und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Obwohl er saumäßig spielte, waren die Leute doch begeistert. Es wurde ein voller Erfolg. Alle einschließlich
Assad und
Irm waren happy. Bis zum nächsten Konzert war Joshi wieder ziemlich okay. Warten im ORTF-Gebäude, Joshi ist wieder OK Wir lernten Pierre Latesse kennen, der uns fragte, ob wir nicht in ein paar Tagen auch noch eine Fernsehsendung machen wollten. Wir waren begeistert. Am selben Tag gaben wir noch ein Konzert im Salle Napoleon, dann hatten wir zwei Tage Pause. Zwischendurch zogen wir alle zu Irm. Dann weitere Konzerte auf dem Land. Am 27. März machten wir die Aufnahme fürs Fernsehen. Rock en Stock hieß die Sendung. Abends gingen wir zum Pop-Club, einer anderen Sendung, weil Can da war. Großes Hallo, denn wir kannten uns bereits. Joshi machte den Can ein Groupie abspenstig: Patchouli. Er wurde also langsam wieder. Patchouli zog mit zu Irm. Am 30. März gaben wir ein Frei-Konzert in der Universität Vincennes bei Paris, am 31.Januar und 1. Februar wieder Konzerte auf dem Lande und fuhren dann über Paris nach Hause. Für lange Zeit hatten wir aber keine Ruhe, denn am 10.4. ging es schon wieder nach Frankreich, zu einem einzigen Fernsehgig am 11.4. bei Paris. Danach ging es sofort wieder nach Hause, damit uns die Kosten nicht auffraßen. Kaum in Berlin angekommen, erfuhren wir, daß unser Freund
Assad schon wieder gewirbelt hatte. So spielten wir am 8.5.73 im "Sound" in Berlin um Geld aufzutanken und rauschten am nächsten Tag schon wieder in Richtung Frankreich ab. Joshi hatte natürlich inzwischen schon wieder zu fixen begonnen! Die nötigen Medikamente zum Entzug wollte er am nächsten Morgen besorgen, aber wer sich am nächsten Morgen nicht meldete, war Joshi. Wir waren stocksauer. Bei "Lüül" versammelt, telefonierten wir wie die Verrückten, aber Joshi war nicht zu finden. Am Nachmittag meldete er sich und stellte in Aussicht, innerhalb der nächsten halben Stunde seine Medikamente zu bekommen. So stellten wir ihm ein Ultimatum: Entweder träfe er in der nächsten Stunde bei Lüül ein, oder wir würden allein fahren! Nach einer Stunde war er noch immer nicht da. Wir überlegten. An sich hätten wir die Tour jetzt absagen müssen, da wir keinen Leadgitarristen mehr hatten. Wir entschlossen uns doch zu fahren, denn uns fielen die Brüder Stephan und Frank Diez ein. Beide waren Spitzenleute und in der Lage unser Programm aus dem Handgelenk zu schütteln. Also anrufen. Frank ist verhindert, mit Stephan haben wir schon oft gespielt, er kennt auch unsere Stücke und vor allem hat er Zeit und Lust. Anruf bei Joshi, tut uns leid Alter, wir sprechen darüber, wenn wir zurück sind. Da wir Joshis Mercedes nun nicht mitnehmen konnten, borgten wir uns das Auto von Frau Hoenig (Mutter von Michael) und fuhren endlich los. Copyright (c) Agitation Free. Alle Rechte vorbehalten. |